Blockchain: Die Kreislaufwirtschaft braucht offene, intelligente und vertrauensschaffende digitale Technologie

Die schlechte Nachricht zuerst: Der Zirkularitätsgrad der Weltwirtschaft ist weiter gesunken, von bereits enttäuschenden 8,6 % im Vorjahr auf 7,2 %.

Sicher, wir leben in unruhigen Zeiten. Kriege, politische Spaltung und soziale Ungleichheit auf der ganzen Welt lenken von Bemühungen um Nachhaltigkeit ab und zwingen Entscheidungsträger manchmal zu suboptimalen Entscheidungen, schlicht aus Mangel an besseren Optionen. Mir geht es nicht um Schuldzuweisungen. Stattdessen will ich zeigen, wie wir unsere Ziele der Kreislaufwirtschaft dennoch erreichen können – wie wir "Zusammenarbeit in einer fragmentierten Welt" fördern können, wie das Motto des diesjährigen Weltwirtschaftsforums passenderweise lautete, auf dem ich erst kürzlich die Ehre hatte, zu sprechen.

Die gute Nachricht ist: Wir haben bereits die Technologie, um die Kreislaufwirtschaft umzusetzen. Darauf habe ich bereits in meinem letzten Artikel  angespielt: Ich sprach darüber, dass nur ein rational verständlicher, aber dennoch unkonstruktiver Mangel an gegenseitigem Vertrauen der Einführung sinnvoller Maßnahmen für die Kreislaufwirtschaft wie dem Digitalen Produktpass im Wege steht. Und ich habe betont, dass wir dies durch "Coopetition" überwinden müssen: Kooperation, wo nötig, Kompetition, wo möglich.

Mit so einem kooperativ-kompetitiven Ansatz können wir die technologische Grundlage für die Kreislaufwirtschaft schaffen: datenbasierte und datengesteuerte Geschäftsmodelle, die Transparenz in unseren Lieferketten schaffen und uns dabei helfen, den Energieverbrauch und die Materialentnahme deutlich zu senken und uns gegenseitig auf faire Weise in die Verantwortung zu nehmen. Und in diesem Zusammenhang spielt die Blockchain eine entscheidende Rolle.

Daher will ich heute zeigen, dass Blockchain weit mehr ist als nur alberne Affenbilder und eine Möglichkeit für Crypto-Bros, passives Einkommen für ihren Möchtegern-Sigma-Male-Lifestyle zu generieren – Blockchain ist die Basis für Kreislaufwirtschaft und damit eine notwendige Bedingung für die Zukunftsfähigkeit der Menschheit.

Coopetition erfordert Transparenz und Verantwortlichkeit

Damit Geschäftsmodelle und Produktionsprozesse zirkulärer werden, ist vor allem eines erforderlich: Wissen über die Zusammensetzung von Produkten, ihre Lieferkette, Reparierbarkeit, Ersatzteile, ordnungsgemäße Entsorgung usw. Das ist der Haken an der Sache: Unternehmen A, das sich beispielsweise mit der Rückgewinnung chemischer Stoffe aus bestimmten Produkten von Unternehmen B befasst, benötigt detaillierte Informationen von Unternehmen C, einem Zulieferer von Unternehmen B. In einem wettbewerbsorientierten Umfeld, wie es die globale Wirtschaft immer noch ist, besteht für Unternehmen C jedoch kaum ein Anreiz, Informationen weiterzugeben – nicht einmal an seinen Partner Unternehmen B und schon gar nicht an Konkurrenten wie Unternehmen A. Wer sagt denn, dass Unternehmen A nicht Informationen über Unternehmen C nutzt, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen?

Ähnliche Probleme gibt es bei der Umsetzung von Grenzwerten für Emissionen und Ressourcenverbrauch, sei es in Form einer freiwilligen Verpflichtung oder einer gesetzlichen Vorschrift: Will man alle betroffenen Unternehmen mit demselben Maßstab messen, d. h. Daten über Emissionen und Ressourcenverbrauch vergleichbar machen, müssen diese Unternehmen viele interne Informationen austauschen. Wenn sie und ihre Konkurrenten das machen, laufen sie aber Gefahr, dass diese Informationen missbraucht werden. Und wenn sie dies nicht machen, wird die Validierung und der Vergleich von Kennzahlen und damit die gegenseitige Rechenschaftslegung unmöglich.

Die Lösung ist eine digitale Technologie, die alle notwendigen Daten sammelt und alle Informationen, die für zirkuläre Geschäftsmodelle und -prozesse benötigt werden, verfügbar macht und gleichzeitig alles anonymisiert, was legitime Geschäftsgeheimnisse preisgeben könnte. Darüber hinaus muss diese Lösung in ihrer Methodik offen und transparent sein. Kurz gesagt: Wir brauchen Blockchain-Technologie.

Blockchain macht Transaktionen und Wissenstransfers sicher und effizient

Mit Blockchain lässt sich der Fluss von Materialien und Produkten transparent und sicher über die gesamte Lieferkette verfolgen. Denn als Distributed-Ledger-System verwendet es Kryptografie, um Transaktionen in einem Computernetzwerk abzusichern und zu verifizieren. Zudem kann Blockchain genutzt werden, um digitale Token zu erstellen, die das Eigentum an physischen Vermögenswerten repräsentieren, z. B. Gutschriften für erneuerbare Energien oder Emissionszertifikate. Diese Token können auf Blockchain-Plattformen gehandelt werden und bieten Einzelpersonen und Unternehmen eine neue Möglichkeit, in nachhaltige Praktiken zu investieren und davon zu profitieren.

Die dezentrale Struktur dieses Systems garantiert, dass keine einzelne Partei alleinige Kontrolle über die Daten hat, da alle Parteien Zugriff auf denselben Datensatz haben. Mit intelligenten Verträgen lassen sich Regeln aufstellen und die Einhaltung gegenseitiger Vereinbarungen für die Übertragung von Informationen automatisieren sowie die Effizienz und Sicherheit von Transaktionen erhöhen. Diese Vereinbarungen können dann Regeln darüber enthalten, welche Teile von Informationen geteilt und welche zurückgehalten werden sollen.

Stellen Sie sich dieses System als einen Tresor vor, der von allen genutzt wird: Unbefugte sind von seinem Inhalt ausgeschlossen, während befugte Parteien alle Zugang zu denselben Inhalten haben, und es gibt klare Regeln für die Speicherung von Informationen bezüglich der Anforderungen, Einschränkungen und Vertraulichkeitsgarantien.

Offene Systeme schlagen zentralistische Monopole

Man könnte jetzt einwenden: Hat IBM nicht gerade genau das mit dem Blockchain-Dienst Tradelens versucht, den es zusammen mit der Reederei Maersk entwickelt hat? Das Vorhaben ist doch gescheitert! Das ist in der Tat richtig. Und es ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Zeiten vorbei sind, in denen große Branchenakteure im Alleingang eine proprietäre Lösung durchsetzen, in der Hoffnung, dass sie durch ihre Vormachtstellung auf dem Markt erfolgreich sind. Stattdessen müssen wir uns zusammentun und an offenen Systemen arbeiten, die alle als Gleichgesinnte mit ins Boot holen – ganz im Geiste der Coopetition.

Dies ist ein wichtiger Grund, warum ich CircularTree mit seiner CarbonBlock -Lösung, die genau ein solches offenes System darstellt, mitgegründet habe: CircularTree versteht sich als Dienstleistungs- und Plattformanbieter, der es Unternehmen ermöglicht, die vorgelagerten CO2-Fußabdrücke von Bauteilen zu messen und zu verwalten. Damit können Unternehmen ihre Zulieferer auf einfache Weise einbinden und Daten austauschen, wobei sie die Daten-Eigentumsrechte behalten und genau entscheiden können, was sie mit wem teilen. Und ebenso wichtig ist: Der verifizierte und vertrauliche Austausch von Daten ist über verschiedene Ökosysteme wie WBCSD PACT, Estainium oder Catena-X möglich.

Und trotz der schlechten Nachrichten aus dem Circularity GAP Report 2023 – oder gerade deswegen – rufe ich Unternehmen, Regierungen und jeden Einzelnen erneut auf: Tun wir uns zusammen und nutzen wir digitale Technologien, um die Kreislaufwirtschaft voranzutreiben. Ich habe die Hoffnung nicht verloren, dass wir die Herausforderungen, die derzeit noch den Fortschritt behindern, überwinden können. Und das sollten Sie auch nicht.

Machen wir das gerade begonnene Jahr zum Beginn der nachhaltigen Zukunft, die die Menschheit braucht und verdient.